1920-1925

Im Ersten Weltkrieg kämpften die Männer aus Eupen-Malmedy als kaiserliche Untertanen im Heer Wilhelms II. . Die Zahl an Kriegsopfern war beträchtlich: Im Kreis Eupen verloren 766 Männer ihr Leben und im Kreis Malmedy waren es deren sogar 1082. Die Enttäuschung über die deutsche Niederlage war enorm.

Schon im Juni 1919 wurde dem besiegten Land im Spiegelsaal des Schlosses von Versailles der Friedensvertrag vorgelegt, den Deutschland als "Diktat" empfand. Als besiegte Nation hatten die deutsche Delegation in der Tat keinerlei Mitspracherechte bei den Verhandlungen. 

Der Versailler Vertrag legte in Artikel 32, 33 und 34 fest, dass dieselben Gebiete, die 1815 durch den Wiener Kongress Teil Preußens geworden waren, Belgien als Kriegsentschädigung zuerkannt werden müssten. Die belgische Ansprüche reichten zwar weiter, doch musste man sich schließlich mit den ehemaligen preußischen Kreisen Eupen, Malmedy und St.Vith begnügen. Auch das strittige Neutral-Moresnet wurde an Belgien zuerkannt.
Am 10. Januar 1920 trat der Vertrag in Kraft. Am gleichen Tag begann Generalleutnant Herman Baltia als königlicher Kommissar seinen Dienst in den annektierten Gebieten. In seiner 5jährigen Amtszeit und mit weit reichenden Befugnissen ausgestattet hatte er den Wunsch aus den Einwohnern des Gebiets „ein diszipliniertes und arbeitsames Volk“ zu machen. Die Assimilation des annektierten Gebietes geschah denn auch Baltias Temperament entsprechend patriarchalisch, militärisch-autoritär, doch auch pragmatisch und konservativ, was dennoch oft die Zustimmung der zumeist katholisch-konservativen Bevölkerung fand.

Eine erste Amtshandlung Baltias bestand in der Durchführung der vom Völkerbund vorgeschriebenen Volksabstimmung, die schließlich als Volksbefragung zwischen dem 26. Januar und dem 23. Juni 1920 stattfand. In den Distriktämtern von Eupen und Malmedy konnten sich die Personen in ein Register eintragen, die nicht mit der Annexion des Gebiets durch Belgien einverstanden waren. Von den 33.726 Stimmberechtigten protestierten 271 Personen (209 davon aus dem Distrikt Eupen) - zumeist deutsche Verwaltungsbeamte oder Eisenbahner, die ohnehin nach Deutschland zurückkehren wollten. Die einheimische vorwiegend in der Landwirtschaft tätige Bevölkerung, politisch kaum gebildet aber dennoch vielfach mit dem Herzen beim alten Vaterland, blieb zurückhaltend - auch auf Grund angedrohter Repressalien der belgischen Behörden. Diese Volksbefragung ging wegen vieler Unzulänglichkeiten als „petite farce belge“ in die Geschichte ein.  Am 20. September 1920 entschied der Völkerbund das Ergebnis der Volksbefragung anzuerkennen und die Gebiete um Eupen, Malmedy und St.Vith sowie die Vennbahn zwischen Raeren und Kalterherberg dem Königreich Belgien zuzusprechen.

Die Einführung der Frankenwährung brachte der Bevölkerung dann echte Vorteile, da der Kurs von 1:1 angesichts der ständig an Wert verlierenden Mark als großzügig empfunden wurde. In Deutschland beschäftigte Arbeitnehmer, zumeist aus dem Eupener Land, konnten indes nicht mehr von ihrem Lohn leben, da dieser zum Tageskurs umgewechselt wurde, was im April 1920 kurzzeitig zu Unruhen führte, in deren Folge ein günstigerer Wechselkurs eingeführt wurde. Der vorwiegend in der Landwirtschaft tätigen Bevölkerung des Kreises Malmedy hatte der Geldumtausch aber wirtschaftliche Vorteile gebracht, da man die Produkte beiderseits der Grenze absetzen konnte. Durch die wirtschaftlichen Verbesserungen schwand das Interesse an der Volksbefragung – sehr zum Leidwesen der deutschen Propaganda.

Durch sein wohlwollendes Auftreten erfreute sich General Baltia indes zunehmend einer allgemeinen Wertschätzung. Dennoch hatte er die Möglichkeit, Zeitungen zu zensieren oder gar Dekrete zu erlassen, die dann im eigens geschaffenen „Amtsblatt“ erschienen.

Nach fünf Jahren endete das Gouvernement Baltia im März 1925 und die Bewohner der neubelgischen Gebiete konnten im April 1925 erstmals an Kammerwahlen teilnehmen. Das Ergebnis zeigte 2/3 der Stimmen für die „Katholische Partei“ und ¼ für die Sozialisten. Beide Parteien hatten deutschsprachige Kandidaten aufgeboten, doch der Kandidat der „Katholischen Partei“, der Vervierser Anwalt Jean-Mathieu Jenniges verfehlte das Ziel nur knapp, was für Ernüchterung und Enttäuschung in den traditionell katholischen neubelgischen Gebieten sorgte. Der Sozialist Marc Somerhausen, der für eine Wiederholung der Volksbefragung eintrat, zog indes in die Kammer ein.