Die ersten Kriegsjahre

Im Morgengrauen des 10. Mai marschierten deutsche Truppen ohne Vorwarnung in Belgien ein. Von vielen Menschen in Eupen-Malmedy-St.Vith wurden sie begeistert empfangen. Für die Anhänger der „Heimattreuen Front“ war dies der lang ersehnte „Tag der Befreiung“. Probelgisch eingestellte Familien verließen fluchtartig das Gebiet und belgische Be­amte wurden verhaftet. Unter den deutschen Truppen konnte man einige Einheimische ausmachen, die dem Bau­lehrregiment 800 „Brandenburg“ angehörten und strategi­sche Punkte (Brücken, Talsperren) in ihre Gewalt bringen sollten, was jedoch nicht immer gelang.

Durch Führererlass vom 18. Mai wurden die 1920 durch den Versailler Vertrag an Belgien abgetretenen Kreise Eupen und Malmedy sowie einige altbelgischen Gemeinden dem Deut­schen Reich eingegliedert. Eine Folge davon war, dass alle dienstpflichtigen Männer zur Wehrmacht eingezogen wurden. Die belgische Regierung, die nach London geflohen war, protestierte nicht gegen diese Annexion.

Eines der wesentlichen Merkmale der nationalsozialisti­schen Herrschaft war die Erfassung der Menschen und ihrer Lebensäußerungen auf allen Gebieten. Von der Wiege bis zur Bahre sollten die Menschen organisiert und für das Re­gime dienstbar gemacht werden. Wie im Innern des Reiches entstand auch hier die NSDAP mit allen Unterorganisationen, wie der SA, der Heimat-SS, der NS-Frauenschaft, der Hitler­jugend, dem Bund deutscher Mädel, des NS-Kraftfahrerkorps, usw. Jeder, der sich weigerte einer dieser Organi­sationen beizutreten, galt als potentiell verdächtig. Um ihre Beamtenstelle zu behalten, sahen sich viele gezwungen, ei­ner der unzähligen NS-Organisationen beizutreten. Auch in Eupen, Malmedy und St.Vith hielten NS-Feierlichkeiten und Uniformkult ihren Einzug. Besonders in den Schulen sollte die „Herrenmensch-Ideologie“ propagiert werden. Eine Ausgeburt der NS-Ideologie war der Ahnenpass, den jeder Deutsche haben musste, wenn er in den öffentlichen Dienst treten wollte. Ein judenfreier Stammbaum war dazu Voraussetzung.

Die Mobilisierung der Menschen für den totalen Krieg ließ die Propagandamaschine auf vollen Touren drehen. Der Krieg im Osten wurde als „Kreuzzug gegen den Bolschewismus“, als „letzte Rettung des Abendlandes“ dargestellt. Selbst militärische Niederlagen wurden als ideologische Erfolge verkauft. Diese umfassende Propaganda war nur mit einer gleichgeschalteten Presse möglich, die nach den Weisungen von Reichpropagandaminister Goebbels zu berichten hatte. In unserem Gebiet erschienen zu der Zeit der „Westdeutsche Be­obachter“, die „St.Vither Volkszeitung“ und die „Eupener Nachrichten“.

Im Laufe des Krieges verstärkte England die Gegenpropaganda durch den Abwurf von Flugblättern. Diese mussten unter Strafandrohung („Wehrkraftzersetzung“) bei der Polizei abgegeben werden. Das Hören von „Feindsendern“ war ebenso streng verboten.

Mit dem Einmarsch der deutschen Truppen traten die im Reich geltenden Rationalisierungsmaßnahmen auch hier in Kraft. Alle zum Leben notwendigen Dinge (Nahrungsmittel, Kleidung, Brennstoffe, Haushaltsgeräte) waren nur über Be­zugsscheine erhältlich. Während die Menschen auf dem Land sich noch hinreichend selbst versorgen konnten, wurde die Lage in den Städten immer schwieriger. Doch auch das Landleben war strengen Kontrollen unterworfen; Ortsbauern­führer mussten z.B. Schlach­tungen genehmigen. Dennoch blühte auch ein Schwarzmarkt, auf dem vor allem Speck und Eier gehandelt wurden.

Ein besonderes Merkmal der Kriegszeit waren die ständigen Sammelaktionen, die von der Partei oder einer Nebenorgani­sation (z.B. Winterhilfswerk) durchgeführt wurden.

Im annektierten Gebiet wurden die jungen Männer ab 1941 zum Wehrdienst eingezogen. Zuvor waren sie ver­pflichtet, im „Reicharbeitsdienst“ tätig zu sein. Insgesamt wurden bis 1944 nahezu 8.000 Männer aus Eupen, Malmedy und St.Vith eingezogen, von denen 2.000 nicht nach Hause zurückkehrten; bei 1.600 Personen hinterließ der Krieg dau­erhafte Verwun­dungen. Von den Eingezogenen hatten sich rund 700 freiwillig gemeldet. In den letzten Kriegsmonaten kamen selbst 15- und 16jährige als Flakhelfer zum Einsatz; ältere Personen, die schon im 1. Weltkrieg Soldat waren, mussten ein zweites Mal zu den Waffen. Ab 1943 entzogen sich immer mehr Dienstverpflichtete dem Wehrdienst durch die Flucht nach „Alt-Belgien“ oder durch Untertauchen in der Heimat.

Am 9. August, gegen 10.30 Uhr, fielen die ersten Bomben auf St.Vith. Für die Bewohner, die schon mehrfach Luft­schutzalarm erlebt hatten, kam dieser Angriff völlig überra­schend. Der Bereich Wiesenbachstraße / Prümer Straße wurde zuerst getroffen, dann aber auch der Bahnhof, die Haupt-, Neu-, Teich- und Bleichstraße, sowie die Kirche, die völlig ausbrannte. Viele Häuser brannten aus oder wurden durch Brand- und Sprengbomben erheblich beschädigt. 15 Einwohner kamen bei diesem Angriff ums Leben. St.Vither Wehrmachtsangehörige konnten aufgrund dieses Angriffs Sonderurlaub beantragen.