Die Juli-Krise und der Kriegsausbruch

Das tödliche Attentat auf den österreichischen Thronfolger Franz Ferdinand und seine Frau Sophie am 28. Juni 1914 in der bosnischen Hauptstadt Sarajewo beherrschte am 1. Juli alle Zeitungsspalten.

In den Tagen nach den tödlichen Schüssen, die durch den 20-jährigen serbischen Nationalisten Gavrilo Princip ausgeführt wurden, hatten die Ermittlungsbehörden festgestellt, dass eine Untergrundbewe­gung für die Unabhängigkeit Bosniens hinter dem Attentat stand. Das Ziel der Verschwörung sollte demnach eine Schwächung Österreich-Ungarns und, damit einhergehend, den Anschluss Bosniens und Herzegowinas an Serbien herbeiführen. In Wien wollte man den serbischen Umtrieben ein Ende setzen und vergewisserte sich dazu der Bündnistreue Deutschlands.

In seiner Antwort gab Wilhelm II. sich entschlossen: Er könne keine Stellung im serbisch-österreich­ischen Konflikt einnehmen, versicherte dem österreichischen Kaiser aber seine Bündnis­pflichten und seine alte Freundschaft. Diese als „Blankovollmacht“ bezeichnete Antwort gab Österreich-Ungarn die notwendige Rückendeckung für ein Ultimatum an Serbien. Kaiser Wilhelm II. drängte sogar auf eine schnelle Aktion, da er davon ausging, dass Serbiens Verbündeter Russland und auch Russlands Verbün­deter Frankreich derzeit noch nicht kriegsbereit seien. Am 13. Juli trat der Kaiser eine schon länger geplante Reise nach Norwegen an, während sein Generalstabschef von Moltke in Karlsbad zur Kur weilte. Und aus Österreich kam die Kunde, dass man etwaige Maßnahmen gegen Serbien bis nach dem Ernteurlaub Anfang August aufschieben wolle. Die Krise schien sich vorüber­gehend zu entschärfen, doch rumorte es gewaltig hinter den diplomatischen Kulissen in Wien.

Das Attentat hatte alte Spannungen zwischen Serbien und Österreich-Ungarn wieder aktiviert und im k.u.k. Außenministerium schmiegte man nun Pläne, wie man Serbien ein für alle Mal neutralisieren könne. Russland gegenüber gab man sich beschwichtigend, doch hatte man sich in Wien darauf ver­ständigt, den Serben am 23. Juli ein Ultimatum zu stellen, dass sie nur ablehnen konnten und es somit zum Krieg kommen musste. Man ging von der unbedingten Bündnistreue Deutschlands aus.

Serbien mobilisierte zwei Tage später seine Armee. Am Abend des 25. Juli ordnete Kaiser Franz-Josef ebenfalls die Teilmobilmachung gegen Serbien an. Zu diesem Zeitpunkt kehrte der deutsche General­stabschef von Moltke aus der Kur nach Berlin zurück und Kaiser Wilhelm kehrte nach Potsdam zurück.

Die Lage verschärfte sich von Stunde zu Stunde, denn am darauffolgenden Tag begann Russland seine Kriegsvorbereitungen um Serbien zu unterstützen. Im deutschen Generalstab sorgte man sich um einen möglichen Zweifrontenkrieg, denn Frankreich war sich mit Russland einig, dass man sich im Kriegsfalle beistehen werde. Mitten in diese diplomatischen Bemühungen platzte dann am 28. Juli die Kriegserklärung Österreich-Ungarns an Serbien. Tags darauf mobilisierte Russland zunächst seine Armee an der Grenze zu Österreich-Ungarn und am 30. Juli erfolgte die Generalmobilmachung.

In den nächsten Tagen überstürzten sich die Ereignisse: Aus Frankreich kamen Nachrichten, dass dort die Mobilmachung bevorstand und am Abend des 30. Juli herrschte auch Gewissheit, dass Russland seine Truppen an der deutschen Grenze zusammenzog. Als Vorstufe zur Mobilmachung verkündete Kaiser Wilhelm am 31. Juli den „Zustand der drohenden Kriegsgefahr“ für Heer und Flotte, was die Aufstellung der Grenzschutztruppen zur Folge hatte. Österreich-Ungarn befahl ebenfalls die Grenz­sicherung und Belgien mobilisierte seine Truppen. Am Nachmittag des 1. August befahlen sowohl Frankreich als auch Deutschland die Mobilmachung.

Am 2. August verlangte Deutschland von Belgien den Durchmarsch seiner Truppen nach Frankreich. Belgien verweigerte dies am 3. August mit dem Hinweis auf seine Neutralität; diese werde man mit Waffengewalt verteidigen. Am Abend des 3. August erklärte Deutschland Frankreich den Krieg und am 4. August begannen deutsche Truppen ohne Kriegserklärung ihren Einmarsch in Belgien. England versuchte noch auf diplomatischem Wege, die belgische Neutralität wiederherstellen zu lassen. Nachdem dies gescheitert war, folgte die Kriegserklärung an Deutschland am 5. August. Damit war die Ausgangssituation für das große Sterben gegeben.