Der Kriegsverlauf bis Weihnachten 1914: Die "Heimatfront"

Der Krieg fand seinen Niederschlag auch in der Heimat, obwohl hier keine Kampfhandlungen stattfanden. Ein propagandistischer Stil in der Berichterstattung und Appelle, die Einheit des Volkes zu wahren, beherrschten die Zeitungsseiten. Eigene militärische Aktionen - und waren sie noch so unbe­deutend - wurden glorifiziert und der Gegner wurde lächerlich gemacht bzw. als harmlos oder hinter­hältig dargestellt. Kriegsberichte erschienen mit mehrtägiger Verspätung. Auch der Aufruf, direkte Zeugen belgischer Grausamkeiten mögen sich bei den Bürgermeisterämtern des Kreises Malmedy melden und ihre Beobachtungen zu Protokoll zu geben, fällt in den Bereich der Kriegspro­paganda. Es wird indes nicht berichtet, ob diesem Aufruf Folge geleistet wurde.

Verlustmeldungen bzw. Niederlagen wurden als Beispiel ungebrochenen Kampfeswillens heran­gezogen. So kommentierte der Berichterstatter den Untergang eines deutschen Kreuzers, der von einem englischen Schlachtschiff versenkt worden war mit den Worten: „Mit freudigem Stolz gedenkt das deutsche Volk seiner „blauen Jungen“, die ihr Leben in die Schanze schlugen, um für den todesver­achtenden Mut der deutschen Seewehr Zeugnis abzulegen.“

Der Krieg blieb auch nicht in den öffentlichen Bekanntmachungen verborgen. Vermehrte Aufrufe zum Abschluss von Kriegsversiche­rungen, zur Zeichnung von Kriegsanleihen, zur Meldung von Freiwilligen in den Bezirksämtern, Hinweise, dass „Verlustlisten“ bei den Behörden zur Einsicht ausliegen, dass Einberufene steuerfrei sind, dass der Kaiser Deserteuren und Auswanderern einen Gnadenerlass gewähre, wenn diese sich zum Heer melden, beherrschten die amtlichen Bekanntmachungen. Immer länger werdende „Verlustlisten“ und häufigere Todesanzeigen gefallener Soldaten gaben dem Krieg ein Gesicht - viele Gesichter.

Neben den Todesanzeigen gab es auch noch andere Anzeichen dafür, dass der Krieg auch Auswirkungen auf das Leben im hiesigen Grenzland kannte. Hierzu zählen die zahlreichen Aufrufe zur Sammlung von „Liebesgaben“ durch den „Vaterländischen Frauenverein“ (VFV) sowie die Ergebnis­berichte dieser Sammlungen. Zumeist wurden diese „Liebesgabenpakete“ per Bahn verschickt.

Gesammelt wurde aber auch Geld und vor allem Gold: Die Pflicht eines jeden deutschen Untertans ist es, das in seinem Besitz befindliche Gold an die öffentlichen Kassen, Post oder Sparkassen, abzuliefern, damit es diese an die Reichsbank abführen können. ….

An Mütter, Schwestern, Frauen und Bräute unserer im Felde kämpfenden Brüder erging die Auffor­derung, Pakete von der Größe einer Zigarrenkiste anhand einer „Liebesliste“ zusammenzu­stellen. Eingepackt werden sollte u.a. ein Viertelpfund gemahlenen Kaffee, für 10 Pf. Würfelzucker, ein Schächtelchen Pfefferminzplätzchen, 2 Tafeln fettarme, harte Schokolade, einige kleine Stücke Seife, Streichhölzer in Metalldosen. Das ganze sollte mit Tabak, Zigaretten oder Zigarren aufgefüllt werden. Die Spender dieser „Liebesgaben“ wurden öffentlich bekannt gemacht.

Auch die Jugend wurde in die patriotisch-nationalistischen, kriegswichtigen Ziele des Staates einge­bunden. Der St.Vither Bürgermeister Bongartz veröffentlichte den Erlass des Unterrichts-, Kriegs- und Innenministers, demzufolge die 15-20jährigen zur militärischen Vorbereitung aufgefordert werden, sich zwecks Bildung einer Kompanie im Saal Margraff einzufinden. Väter, die militärisch vorgebildet sind, sind eingeladen, die Ausbildung zu übernehmen.

Im ländlichen, bäuerlichen Alltag traten Neuerungen wirtschaftlicher Art in Erscheinung, die dem Krieg geschuldet waren und die Versorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln gewährleisten sollte. Als erstes seien hier Anzeigen erwähnt, in denen dazu aufgefordert wird, nur deutsche Produkte zu kaufen. Autarkie wurde propagiert und die Bedeutung des inländischen Marktes ist sowohl für ausrei­chende Versorgung mit Nahrungsmitteln als auch Fortführung der industriellen Tätigkeit bedeutsam. Der Handel mit dem jetzt feindlichen Nachbarn Belgien wurde untersagt. Auch Reisen nach Belgien waren nicht erwünscht; widrigenfalls drohte die Beschlagnahmung des Automobils. Für den inländischen Bahntransport von Getreide und Kartoffeln galt ein ermäßigter Ausnahmetarif.